Tourbillon
„Dort wo der Morgen beginnt“ habe ich das Projekt genannt, das im Dezember 1999 auf dem Plattou des Mount Hakepa 231 müM. in einer vierteiligen Bronzeskulpturengruppe platzgenommen hat. Vier Archetypen des menschlichen Daseins. Ein Jahr später, im Dezember 2000, brachte ich eine weitere Skulptur, die „Frühjahrssynfonie“ hinzu. Diese ist bereits gänzlich inspirativ beeinflusst und trägt sowohl inhaltlich als auch formal die Eindrücke vom inzwischen zweiten Besuch dieser Insel in sich. Die „Frühjahrssynfonie“ ist eine kinetische Arbeit, welche dem permanent wehenden Wind ausgesetzt, die leise Ankündigung des Folgeprojektes der „Poesie der Metamorphose“ skizzenhaft abbildet.
Diese Plastiken sind Ausdruck meiner persönlichen Reflexion über die Daseinszusmenhänge bis dato – zugegebenermaßen ein Stückwerk, jedoch verinnerlicht authentisch in jedem Winkel.
Der Ort dafür ist nicht willkürlich gewählt, befindet sich Pitt Island (Chatham Islands) doch dem Konsens nach im Heute eines jeden neuen Tages am nächsten an der Datumsgrenze. Von dort aus, eingebettet in diese wunderbare Naturlandschaft, wollte ich die Inhalte meiner in Bronze gegossenen Botschaft, mit Expansion des Sonnen- bzw. Tageslichts um den Erdglobus geschickt wissen.
Auf Pitt Island, diesem kleinen Fleckchen Erde ca. 800 Kilometer Süd-Ost von New Zealand entfernt, kamen für mich die ursprünglichen Eindrücke auf eindrucksvolle Weise zusammen. Menschen – damals dreiundfünfzig aus neun Familien – inmitten natürlich-ursprünglicher Umgebung, gesäumt vom gewaltigen Pazifik. Aufeinander angewiesen und in ihrem Alltag von der Gunst der Naturgewalten abhängig. Der rauhen Natur alles lebensnotwendige Respektvoll abtrotzend, lieben sie Ihre vielfältig wunderschöne, seit Generationen Lebensraum offerierend-sichernde kleine Pitt Island.
„Poesie der Metamorphose“ wurde unter dort gewonnenen Eindrücken geboren und ist plastischer Ausdruck von frei gewählter, subjektiv assoziativ empfundener Zuordnung bzw. Spiegelung der Musikinstrumente-Gruppen an den Jahreszeiten, wie wir sie in unseren Breitengraden erleben. Frühling, Sommer, Herbst und Winter; Bronzene Metaphern für den Jahreszyklus. Inhaltlich abgerundet und umschlossen durch das „Tourbillon“ – eine Skulptur die mit Mächten der Natur, hier explizit dem Wind, interagieren kann.
Das „Tourbillon“ stellt in diesem, sich seit 2003 in Entstehung befindenden fünfteiligen Ensemble das übergeordnet krönende Zeichen dar und vollendet den 1999 begonnenen, sich inspirativ aufeinander aufbauenden gedanklichen Faden. Diese Anmerkung vorweg ist deshalb wichtig, weil die formale und inhaltliche Erschließung dieser Skulptur retrospektivisch funktioniert. Wind ist „Dort wo der Morgen beginnt“ das eindrücklichste, in Fülle vorhandene, alles prägende Element, und Tourbillon ist in der Lage, seine Omnipräsenz und Kraft kinetisch zu manifestieren.
Um diese sichtbar- und hörbargemachte Bewegung in einen großen Kontext zu stellen, baute ich die edelste Form von Hemmung (Gangregel-Mechanismus einer feinmechanischen Uhr) in überdimensionaler Größe. Der Entschluss, ein Tourbillon für die Skulptur zu bauen, basiert auf persönlicher Begeisterung für komplizierte Feinuhrenmechanik, gestützt durch meine präzisionsmechanische Versiertheit. Diese verdanke ich meinem Vater, der mich damit bereits in früher Kindheit konfrontierte und förderte.
Als technischer Berater stand mir treu über die Entstehungsjahre kein geringerer als der Geburtsvater des „Tourbillon Mysterè“, ein hochverdienter genialer Konstrukteur der IWC Manufaktur aus Schaffhausen. Von mir hochgeschätzter und liebgewonnener, väterlicher Freund Kurt Klaus.
In meiner 'Wirbelwind', franz. 'Tourbillon' genannten Skulptur, dreht sich die 'Hemmung' durch den Wind bzw. Luftstrom angetrieben im Uhrzeigersinn um Ihre eigene Achse. Losgelöst von der Zeitanzeige, erhebt sich das Präzisionsinstrument in seiner Wirkung und Bedeutung auf die Metaebene und manifestiert:
Prozesshaftigkeit
Vergänglichkeit
Zeitigung.
Der 'Wirbelwind' – als Gesamtskulptur – bildet in einer sichtbar und hörbar erschaffenen, möglichen Variante, mein persönliches Verständnis für das große Ganze, Weitblickende, Kosmologische ab.
Wo der Mensch als fragiles, schicksalhaft an die Natur gebundenes Geschöpf zwischen Himmel und Erde, in Bewusstheit seiner Vergänglichkeit, engem Bezug zu seiner Vergangenheit (Geschichte) in der Ihm zugestandenen Gegenwart, zukunftsausgerichtet agiert.
Am Ende dieser kurz gefassten, gedanklich-inspirativen Beschreibung wünsche ich dem Betrachter dieser Arbeit, auf Form und Inhalt bezogen, eine erbauliche Wertschöpfung.
Woytek